Karl Ernst Osthaus

Karl Ernst Osthaus-Archiv Hagen, Foto: Käthe Severin.

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Karl Ernst Osthaus gilt als einer der einflussreichsten Kulturreformer zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Er verließ als Museumsdirektor und Kulturvermittler zu Beginn des 20. Jahrhunderts den musealen Raum, um eine gebaute Lebensreform in der Praxis umzusetzen. Er setzte darauf, die soziale Realität der westfälischen Industriestadt Hagen und darüber hinaus der gesamten Industrie-Region mittels Kunst und Kultur, Architektur und Stadtplanung – mit Bauten und Konzepten international bedeutender Architekten wie Henry van de Velde, Peter Behrens, Richard Riemerschmid, Jan Mathieu Lauweriks und anderen - positiv zu beeinflussen. Mit seinem Folkwang-Gedanken nahm der sendungsbewusste Hagener und Weltbürger die Vorstellung ernst, dass Kunst und Leben miteinander versöhnbar seien.

Als sein Folkwang-Museum 1902 in Hagen seine Pforten öffnete, sah sich das erstaunte Publikum mit der revolutionären Innenarchitektur Henry van de Veldes sowie mit Werken der zeitgenössischen Kunst konfrontiert. Das Folkwang erlangte Ruhm als das bedeutendste Museum für zeitgenössische Kunst. Es war ein Weltkunstmuseum, mit Präsentationen europäischer Kunst vom Mittelalter bis zum Barock, mit griechischer und römischer Antike, mit einer Auswahl orientalischen, afrikanischen, asiatischen und ozeanischen Kunstschaffens. Den programmatischen Namen „Folkwang“ entlieh Osthaus den altnordischen Mythen der Edda, dort bezeichnet Folkwang den Saal der Freyja, der Schutzgöttin der Künste.

Osthaus vertrat die Überzeugung, dass die Errungenschaften der Künste für das alltägliche Leben fruchtbar gemacht werden könnten. Deutlich kam dieser Anspruch in seiner zweiten Museumsgründung 1909, dem „Deutschen Museum für Kunst in Handel und Gewerbe“ zum Ausdruck. Mustersammlungen vorbildlicher Gestaltung – von der Visitenkarte über Tapeten-Entwürfe, Plakate oder Möbel bis zum Städtebau – wurden nach thematischen Gesichtspunkten zu Ausstellungen zusammengestellt und auf Tournee geschickt. An dieses „Designmuseum“ knüpften Lehr- und Fortbildungsanstalten an sowie eine Fotografienzentrale und ein Verlag. Das Museum entwickelte sich zu einem wichtigen Forum für modernes Design, und seine Wanderausstellungen – unter anderem die von Walter Gropius konzipierte Wanderausstellung „Vorbildliche Industriebauten“ – fanden den Weg bis in die USA.

Osthaus Konzept der Verbindung von Kunst und Leben sollte in der Gartenvorstadt „Hohenhagen“ realisiert werden. Als erstes Bauwerk wurde 1908 sein Wohnhaus Hohenhof vollendet. Er behauptet die wichtigste Funktion im städtebaulichen Ensemble der – leider nur in Ansätzen realisierten – Gartenvorstadt. Bis zum Ersten Weltkrieg wurden drei Villenbauten von Peter Behrens sowie eine Häuserzeile von Jan Mathieu Lauweriks verwirklicht. Mit Walter Gropius, der ebenfalls für Hohenhagen plante, verband Osthaus eine über zehnjährige Freundschaft. Osthaus hat einen nicht geringen Anteil daran, dass Walter Gropius 1919 in Weimar das Bauhaus gründen konnte, da er ihn Henry van de Velde vorschlug, als dieser in Weimar einen Nachfolger für seine Kunstgewerbeschule suchte.

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Osthaus befasste sich mit den unterschiedlichsten städtebaulichen Aufgabenstellungen, über Wohnungs- und Villenbau, Arbeitersiedlung, Bahnhof und Stadthalle, Theater, Kirchen und Krematorium, Turbinenhaus und Bank, bis hin zur Gestaltung von Ladenlokalen und Schaufenstern. Osthaus’ Initiativen wurden im Rückblick mit dem Etikett „Der Hagener Impuls“ zu einem festen Begriff der Kulturgeschichte. Mit den Zeugen dieses historischen Hagener Impulses verfügt die Stadt Hagen über im internationalen Maßstab bedeutsame Denkmäler, die heute noch Osthaus’ Folkwang-Projekt für die Umgestaltung der Gesellschaft und der urbanen Kultur durch künstlerische Konzepte erahnen lassen.

Grand Tour der Moderne | Orte

Hohenhof, Hagen